Club • Erlebnis • Eine lange Reise zum 190 SL

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Wie war das eigentlich… ?

Technikfreaks wird es enttäuschen, denn ich fand und finde den SL 190 einfach nur schön. Ich habe ein Faible für schöne Dinge, Architektur, Möbel, Landschaften, und sicher auch Menschen. Natürlich ist schön bekanntlich Geschmacksache, dennoch denke ich beim Thema schönes Auto und schöne Formen bei dem einen oder anderen Leser Zustimmung zu erhalten.

Es muss 2010 gewesen sein, da griff ich auf dem Weg nach Hause – zu der Zeit lebte ich in Peking, China – am Frankfurter Flughafen in einem Zeitschriftenkiosk nach dem ADAC Oldtimer Katalog. 10 Stunden Flugzeit später, in der Zwischenzeit hatte ich den Katalog ausführlich studiert, stand für mich fest: Wenn ein Oldtimer, dann einen offenen Mercedes, und wenn einen offenen Mercedes, dann einen SL 190 – für mich einfach der schönste unter den Oldtimern.

Dieser Gedanke begleitete mich im Ausland noch für weitere Jahre. In der Zwischenzeit durfte ich zumindest ein Modell des Objektes der Begierde mein Eigen nennen, einen cremefarbenen DB50, mit rotem Leder.

2 Jahre später, im Spätsommer 2012, ging es für mich wieder zurück nach Deutschland. Die Möbel, samt meinem Modell schwammen noch auf einem Containerschiff irgendwo auf den Weltmeeren, da erreichte mich ein Anruf eines Langenhagener Freundes. Zu diesem Zeitpunkt, die kommenden 2 Monate lediglich mit einem Koffer Kleidung ausgestattet in einer temporären Bleibe mit Leihmöbeln, hat manch anderer sicher andere Sorgen. Trotzdem kamen wir zum Ende des Telefonates auf das Thema Auto und seinen mittlerweile fertig restaurierten Jaguar E Typ.

Ich bekundete ebenfalls mein Interesse an einem historischen Fahrzeug, wenn ich mich denn wieder eingelebt und eingerichtet hätte, wurde aber prompt gefragt, was ich mir denn diesbezüglich so vorstellen könnte. Ich beantwortete die Frage mit einer fünfstelligen Buchstaben- und Zahlenkombination: SL 190, ehe ich direkt die Antwort erhielt: „Ich weiß wo ein Exemplar steht und ich weiß, dass der Eigentümer diesen unter Umständen verkaufen möchte.“ Völlig unerwartet dauerte das Gespräch dann doch länger:
Ein älterer Herr hatte vor mehr als 10 Jahren angefangen das Fahrzeug von seinem Karosseriemeister herrichten zu lassen und seitdem wartete der Wagen auf die Lackierung und Fertigstellung Die Karosserie stand gefüllert auf Achsen, der Rest im Ursprungszustand, samt Motor, auf Europaletten oder in der Garage verteilt.

Unverhofft kommt oft, und so recherchierte ich spontan im Internet, wer mir bei der Erstbesichtigung hier fachmännisch zur Seite stehen könnte. Ich wählte die Nummer von Frank Erbeck, der spontan zusagte mich zu begleiten, schließlich lag der Standort geographisch fast in seinem Vorgarten.

Vor Ort erfuhren wir dann mehr zur spannenden Historie des Wagens:

Baujahr 1959, ebenfalls DB50 mit rotem Leder DB 1079 (wie mein Modell – welch´ ein Zufall), am 07.10.1959 nach New York verschifft und etwa 20 Jahre später nach Schweden geholt, dort gefahren und Anfang der 90er Jahre zurück nach Deutschland, an den damaligen letzten Eigentümer verkauft. In Niedersachsen vor der Jahrtausendwende von ihm zerlegt und Karosseriearbeiten (mit Polaroids dokumentiert), wie wir heute wissen, fachmännisch erledigen lassen. Seitdem wartete das gute Stück auf die weitere Fertigstellung, leider vergeblich. Emotional an das Auto gebunden, dauerte es fast 13 Jahre, bis die Karosse nebst Einzelteilen den Besitzer wechseln sollte.

Diesem Schritt ging allerdings eine sehr anstrengende Diskussion über den späteren Verkaufspreis voraus. Trotzdem konnten wir uns nach zahlreichen Runden dann Ende 2012 gütig auf einen Betrag verständigen. Damals sicherlich 2.000 EUR zu viel, aus heutigem Gesichtspunkt, ein mehr als akzeptables Investment.

Vorweg: Zwar freue ich mich heute über das Endergebnis und möchte es gar nie wieder hergeben, hätte ich jedoch vorher gewusst, wie viel Zeit, Geld und Logistik in den nachfolgenden Jahren zu investieren sind, hätte ich dieses Projekt mit Sicherheit ausgeschlagen.

Die nächste Frage, die Frank Erbeck und mich beschäftigte war, wer denn nun „machen“ sollte. Gerne wollte ich die Gewerke verschieden vergeben, an „Hidden Champions“, die bisher in der Clublandschaft wenig bis gar nicht präsent sind. Diese Überlegung kam vor allem abgeschreckt von der telefonischen Beratung der „Etablierten“ zustande, mit der wiederholten Aussage: „Ab 100.000 Euro Anzahlung können wir uns das in 4 Monaten ansehen.“

Da im ersten Schritt die vorhandenen Teile zu sichten, zu sortieren und herzurichten waren, entschieden wir uns im Frühjahr 2013 für die Zusammenarbeit mit Björn Ringwelski, ebenfalls in Langenhagen, der den elterlichen Karosserie- und Fahrzeugbaubetrieb bereits vor Jahren von seinem Vater übernommen hatte. Björn arbeitete Teile auf oder vergab Aufgaben wiederum an Kollegen – jeweils Meister ihres Faches –, so dass schnell klar wurde, welche Teile neu zu beschaffen und welche noch in Stand zu setzen waren. Unter anderem ging es darum einige Dinge neu zu verchromen, das Verdeckgestänge komplett aufzuarbeiten und fehlende Teile neu zu besorgen.
Die komplette Motorüberholung erledigte KFZ Hesshaus in Ronnenberg. Kurt und Sohn Marco Hesshaus seit Jahrzehnten auch mit dem Motorenbau für den historischen Alfa Romeo Motorsport erfolgreich, leisteten hier großartiges. Frank Erbeck war nach der Werkstattbesichtigung sichtlich angetan und der spätere Gutachter des Gesamtfahrzeugs, unser Präsident Wilfried Steer, attestierte schriftlich: „Nur selten habe ich eine so ruhig und sauber laufende Maschine in einem SL 190 erlebt“.
Insbesondere waren aber Hauben, Türen, Chrom und andere Anbauteile von Ringwelski einzusetzen, um zu sehen wie gut die Karosseriearbeiten tatsächlich waren. Alles war zu Franks (Erbeck) und Bjoerns (Ringwelski) Zufriedenheit, sodass das Fahrzeug dann nach weiterer Vorbereitung des Untergrunds schließlich durch die Lackiererei Nowitz in Stadthagen innen und außen, dann jedoch in schwarz DB40, vom Chef Nowitz persönlich lackiert werden konnte.

Wie es dazu kam? Ich war in der Zwischenzeit vom ungeklärten Fall der Nitribitt und der Recherche von Norbert Schneider (Revue 01/2005) so beeindruckt, zumindest was die Farbkombination ihres SL 190 anging, dass ich mich für die Kombination meines Exemplars in DB40/DB1079/Verdeck schwarz entschied. Rückblickend und vor allem im Hinblick auf die Empfindlichkeit der Wagenfarbe schwarz, sicherlich schön anzuschauen, nicht aber die beste Entscheidung.

Die rote Innenausstattung, geliefert und montiert durch Uli Wehner aus Hamburg, bereue ich indes nicht. Es ist jedes Mal eine Freude hier Platznehmen zu dürfen.

Zurück in Langenhagen wurde angebracht und zusammengesteckt was möglich war. Dann hatte die mechanische Endmontage samt Elektrik zu erfolgen. Parallel unterstützte Frank Erbeck stets mit der Besorgung noch fehlender Teile, was zunehmend anstrengender und kostspieliger wurde.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2015, 2 Jahre waren vergangen. Die Erfahrung bisher: Die kleinen Unternehmen, jeweils Champions in ihrer Klasse, leisteten hervorragende Arbeit, man musste jedoch mehr Geduld und Zeit, auch in Sachen Logistik mitbringen – im Vergleich zu den etablierten Anbietern, die alles aus einer Hand anboten. Aber dennoch, man trifft wirklich sehr engagierte, zuvorkommende und nette Profis auf dieser teilweisen Odyssee. Ich habe den Schritt, insbesondere was die Zusammenarbeit und Qualität angeht, jedenfalls nie bereut. Meiner Ungeduld geschuldet, hätte es natürlich immer ein wenig schneller gehen können.

Um einige Erfahrungen reicher lernte ich im April 2015 Reimund Wendt (KFZ Wendt, Paderborn) kennen, der für das Finish sorgen sollte und dies auch hervorragend getan hat. Die Chemie stimmt bis heute und auch im „After Care“ ist Reimunds Ansprechbarkeit, Fachwissen und Hilfsbereitschaft unschlagbar. Zusammen mit seinen Mitarbeitern vollendete er das Gesamtkunstwerk, samt TÜV Abnahme und späterem Gutachten.

Was die Ausgaben für die letzten zu besorgenden Teile und Schrauben bis Mitte 2016 angeht, wurde es auf der Zielgeraden leider noch einmal ungemütlich. Selbst für gebrauchte Teile in miserablen Zuständen wurden auf den Börsen schon fast astronomische Preise verlangt, so dass ich froh war, dieses Projekt dann endlich erfolgreich zu Ende gebracht zu haben.

Nach dieser langen Reise zu meinem SL kann ich aus heutiger Sicht jedem Interessenten im Vorfeld nur empfehlen sehr genau zu prüfen, ob ein teilrestauriertes und/oder nicht komplettes Exemplar tatsächlich die (preislich) bessere Wahl ist. Oder ob man mit einer (durch)restaurierten Alternative nicht mittel- bis langfristig wirtschaftlicher fährt und damit zumindest große Überraschungen reduziert werden.

Nach den ersten 600 km bereue ich meine Entscheidung, dieses Wagnis eingegangen zu sein, keinesfalls. Nur hätte ich vielleicht mit meiner Körpergröße von 1,93 m vorher einmal in einem SL 190 Platznehmen sollen. Aber wie war das noch? Wer schön sein fahren will, muss (auf hohem Niveau in diesem Fall) leiden. Und da ist es wieder – schön!

Markus H.

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