Nach einer aufmunternden Tasse Kaffee und nachdem Mary und Rainer liebevoll personalisierte Tüten mit Sekt, Wasser und Süßigkeiten sowie ein Roadbook für den Tag verteilt hatten, machten sich die 22 Teilnehmer der Ausfahrt in ihren blankpolierten Cabrios (sechs 190 SL, zwei SL Pagode, zwei SL R107 und ein W124 Cabrio) auf den Weg Richtung Norden durch die immer noch nebelverhangene Landschaft des Niederrheins, durch geheimnisvolle Wälder und verzaubert wirkende Felder, vorbei an Windrädern, deren Flügel nicht zu sehen waren und Reiterhöfen auf deren Weiden die Pferde warm eingepackt auf die ersten Sonnenstrahlen des Tages warteten. Vorbei ging die Fahrt an der 2000 Jahre alten Römer
stadt Xanten, dem Archäologischen Park Xanten und der Xantener Süd- und Nordsee, zwei Baggerseen in Rheinnähe, die zu Freizeitzentren mit wunderbaren Stränden und vielfältigen Wassersportmöglichkeiten ausgebaut wurden.
Wenig später erreichten wir Kalkar, jene Stadt, die durch das in den 1970er und 1980er Jahren gebaute und nie in Betrieb genommene Atomkraftwerk „Schneller Brüter“ weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt geworden ist. Die Demonstrationen der Anti-Atomkraftbewegung, an der während der Bauphase regelmäßig über zehntausend Teilnehmer beteiligt waren, trugen maßgeblich zur Bildung der Partei Bündnis 90/Die Grünen bei. Heute befindet sich auf dem Gelände des Schnellen Brüters der Freizeitpark Wunderland Kalkar.
Zur Mittagszeit wurden wir in dem Festsaal des Restaurants „Cafe im Gärtchen“ in Kleve Keeken, unmittelbar an der Grenze zu den Niederlanden, mit einer leckeren Gulaschsuppe und hausgemachtem Kuchen verwöhnt. Anschließend ging es dann ab dem Grenzörtchen Millingen am Rhein auf den Rheindeich immer entlang des Flusses, der in den Niederlanden seinen Namen wechselt und dort Waal heißt, bis nach Nijmegen. Die Fahrt über den Deich bot uns wunderbare Ausblicke auf die weitläufigen Flussauen mit ihren vielfältigen Vogelscharen und auf die Frachtschiffe auf der bedeutendsten Wasserstraße Europas. In Nijmegen wechselten wir die Flussseite, fuhren wieder über den Waaldijk zurück in Richtung Deutschland. Eine entspannte Fährüberfahrt über den Pannerdengh Kanaal und die Weiterfahrt vorbei an einigen kleinen verträumten Örtchen auf der linken und dem Rhein auf der rechten Seite machten den Tag perfekt. Als uns auf dem Rheindeich zwischen Emmerich und Rees dann auch noch die Nachmittagssonne belohnte, wurde es Zeit für ein Fotoshooting der ganzen Gruppe und der beeindruckenden Fahrzeugkolone.
Als Übernachtungsquartier hatten Mary und Rainer den Marienthaler Gasthof in Hamminkeln ausgewählt. Ein wunderschönes, privatgeführtes kleines Hotel, das uns mit liebevollem Ambiente und freundlichem Service überraschte. Im Wintergarten des Hotels verbrachten wir bei knisterndem Kaminfeuer und leckerem Essen einen schönen Abend in geselliger Runde.
Am nächsten Morgen lichtete sich der Nebel schon während unseres Frühstücks und ein schöner Sonnenaufgang kündigte einen goldenen Oktobertag an. Durch Waldgebiete mit prächtiger Herbstfärbung ging es hindurch wieder in Richtung Rhein, dann über die Rheinbrücke bei Rees weiter nach Bedburg-Hau zu Schloss Moyland. Um Punkt 11.00 Uhr öffnete sich für uns das Tor zum Schlossgarten und wir durften mit unseren Oldtimern bis vor das Schloss fahren und dort parken. Schloss und Fahrzeuge ergänzten sich gegenseitig zu einem wohlarrangierten Bild.
Die Geschichte und die heutige Nutzung von Schloss Moyland wurde uns von zwei engagierten Museumsführern nahegebracht. Im 14. Jahrhundert wurde Burg Moyland errichtet als eine vierseitig von Wasser umgeben Befestigung mit drei hufeisenförmigen Ecktürmen und einem wehrhaften, bewohnbaren Bergfried. Im 17. Jahrhundert erfolgte die barocke Umgestaltung der Burg zu einem Schloss, indem innerhalb der ursprünglichen Wehrmauern repräsentative Räume errichtet wurden. Der äußerlich neugotische Umbau des Schlosses erfolgte im 19. Jahrhundert. Anfang 1945 wurde Schloss Moyland durch schwere Frontkämpfe deutscher, englischer und kanadischer Truppen schwer beschädigt. Anschließend erfolgten Plünderungen durch Soldaten und durch die Zivilbevölkerung. Eine provisorische Reparatur wurde durch einen Großbrand im Jahre 1956 zunichtegemacht, sodass die Gebäude allmählich verfielen.
Erst 1987 begannen Entschuttungs- und Sicherungsarbeiten und zwischen 1990 und 1997 erfolgte die Restaurierung und der Wiederaufbau des Schlosses unter der Verantwortung der neu gegründeten Stiftung Museum Schloss Moyland. Von 1995 bis 1997 wurde der Schlosspark restauriert. Schloss Moyland beherbergt heute die bedeutende Kunstsammlung der Brüder Van der Grinten, die über 50 Jahre Werke namhafter Künstler gesammelt haben. Ein Schwerpunkt der Sammlung bilden die nahezu 5.000 Arbeiten von Joseph Beuys mit dem die Brüder Van der Grinten eng befreundet waren. Das Joseph Beuys Archiv ist als internationale Forschungseinrichtung Teil der Stiftung Museum Schloss Moyland. Den Museumsführern ist es hervorragend gelungen, uns diesen oft schwer zu verstehenden Künstler nahezubringen und uns einige seiner Werke zu erläutern.
Nach so viel Kultur freuten sich alle auf ein leckeres Mittagessen im Brauhaus Kalkarer Mühle, das wir nach einer kurzen Fahrt erreichten. Unter dem Motto „gemütlich-historisch-kulinarisch“ gab es in der höchsten (27m), voll funktionsfähigen Mühle des Niederrheins niederrheinische Spezialitäten mit kreativem Einschlag. Nach dem Essen nutzte unser Clubfreund Hennig die Gelegenheit und bedankte sich im Namen aller Teilnehmer bei den Organisatoren Mary und Rainer für das sehr gut vorbereitete und gelungene Wochenende. Aber noch war unsere Herbstausfahrt nicht zu Ende. Rainer versprach uns ein weiteres Highlight und kündigte uns noch eine Mühlenbesichtigung an. Hatten wir nicht gerade in einer schönen historischen Mühle aus dem 18. Jahrhundert zu Mittag gegessen? Was sollte da also noch kommen? – Wir stiegen wieder in unsere Fahrzeuge und fuhren in der schon langsam schwächer werdenden Nachmittagssonne in Richtung Goch. Kurz vor der niederländischen Grenze bog Rainer auf das Gelände einer alten, denkmalgeschützten industriellen Wassermühle mit dem Namen „Viller Mühle“ ein. Nach dem alle einen geeigneten Parkplatz gefunden hatten wurden wir auch schon von dem Besitzer der Viller Mühle, Herrn Heinz Bömler erwartet, der uns versprach, uns in den nächsten 1,5 Stunden in seine besondere Welt zu entführen und uns auf eine Zeitreise durch alte Läden mit Waren aus 42 Themenbereichen, den „Markt der vergessenen Waren“, vorbei an über 2,7 Millionen Raritäten und Kuriositäten mitzunehmen, die er im Laufe der vergangenen Jahrzehnte gesammelt hat. Gerne verleiht er seine Schätze als Filmrequisiten nicht zuletzt auch für so bekannte Produktionen wie „Das Wunder von Bern“ und „Der Vorleser“. Er bezeichnet sich selbst als Marketingexperten und gilt als wahnsinniger Puppenspieler, der jede Veranstaltung mit seinen Diensten bereichert und der mit seinen verrückten Ideen zum Publikumsmagneten wird. Auch uns hat er mit seinen besonderen Lebensweisheiten wie z.B. „glaube keinem selbsternannten Experten“ und seinen außergewöhnlichen Attraktionen wie der „Halunkenschau“, „dem fidelen Zylinderwerfen“, der „Ballonstartrampe“ und vielem mehr in den Bann gezogen. Heinz Bömler, den Besitzer der Viller Mühle – man kann ihn nur schwer beschreiben, man muss ihn erlebt haben.
Es wurde schon dunkel, als wir uns alle nach diesem letzten Programmpunkt des Tages auf den Heimweg machten. Was für ein tolles Wochenende. Herzlichen Dank an die Organisatoren Mary und Rainer. Ihr habt uns allen eine unbeschwerte, schöne Zeit bereitet.