Vor einem Jahr hatten wir über die Abdichtung der Hinterachse berichtet. Nun möchten wir ein wenig näher darauf eingehen: Komplette Überholung der Hinterachse mit neuem Radsatz.
Für kein anderes Aggregat am 190SL benötigt man zur Überholung so viel Spezialwerkzeug wie für die Hinterachse. Ob 190SL, Ponton, Pagode oder 111er, ohne das komplette Werkzeugsortiment ist eine fachgerechte Überholung nicht möglich.
Was die Übersetzung der Hinterachse angeht, empfehlen wir die längste Übersetzung der Hinterachse zu nehmen, die man bekommen kann. Dadurch bekommt man ein Fahrzeug, das bei höheren Geschwindigkeiten niedrigere Drehzahlen aufweist und damit wesentlich ruhiger läuft.
Die längste Übersetzung der Hinterachse für den 190SL oder Ponton ist die 1:3/70. Für die Pagoden 250 – 280 SL ist es die 1: 3/46. Dasselbe gilt auch für den 111er, der baugleich zu SL 250-280 ist. Mit der 3,46er Übersetzung wurden diese Fahrzeuge ab Werk nie ausgerüstet. Für den 280SE /3,5 gibt es noch eine längere Übersetzung, die 1:2,82, die wir sehr empfehlen können. Für den 280SL wäre diese Übersetzung auch möglich, ist aber aus unserer Sicht dann deutlich zu lang übersetzt. Viele 280 SL Pagoden und 111er kommen aus USA und haben eine Übersetzung von 1: 4,08 montiert. Die hat dann den großen Nachteil, dass sich die Motoren auf der Autobahn zu Tode drehen und jegliche Gespräche im Innenraum ab 100km/h eingestellt werden müssen. Mit der langen Übersetzung drehen die Motoren bei 100kmh um gut 900 Umdrehungen weniger und das Automatik-Getriebe schaltet viel ruhiger. Dies ist nicht nur deutlich zu spüren, sondern ermöglicht ein ganz neues Fahrvergnügen.
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Das Übersetzungsverhältnis ist an der Hinterachse unter der Öleinfüllschraube eingeschlagen.
Folgende Übersetzungen gibt es: 4/1, 3/9, 3/89, und 3/7. Unsere Empfehlung ist eindeutig die Übersetzung 3/7. Auf dem freien Markt wird die 3/7er Übersetzung im Nachbau angeboten. Auch wenn schon viel versucht wurde, diese Radsätze laufen leider nicht ruhig und wir raten davon ab.
Die Überholung der Hinterachse gehört bei uns zu den Standard-Werkstattarbeiten. Folgender Reparaturumfang ist dafür notwendig: Achse komplett zerlegen, alle Gehäuseteile und Ankerbleche entrosten, grundieren und lackieren. Radsatz erneuern, Ausgleichsräder mit stärkeren Ausgleichsscheiben und neuen Kugelscheiben und einen neuen Bolzen versehen. Die Ausgleichsräder müssen sich schwer drehen lassen, sonst besteht die Gefahr dass die Achse beim Lastwechsel Geräusche macht. Achsgehäuse vermessen, Kegelrad mit neuen Lagern montieren, durch einmessen richtige Distanzscheibe ermitteln, Lagerdeckel mit Dichtring und Antriebsflansch montieren. Tellerrad mit Ausgleichsgehäuse und neuen Schräglagern einbauen und Zahnspiel einstellen. Kreuzschiebegelenk zerlegen, Kreuzgelenk erneuern, bei Bedarf Nadeln im Schiebestück erneuern. Kreuzschiebestück zum Ausgleichsgehäuse durch ermittelte Scheibe einstellen. Gleitlager und Büchsen an der Achsschwinge überprüfen bzw. erneuern und auf Büchsenmaß aufreiben. Beide Steckachsen auf Rundlauf prüfen ggf. schleifen. Lagerung und Abdichtung erneuern. Achse einbaufertig montieren.
Es ist ein hoher Aufwand, aber das angenehme Fahrgefühl belohnt einen bei jeder Fahrt.
Fritz & Rouven mit Team Wallner Classic