Ein trillerndes Geräusch im Motorraum unseres 190 SL machte sich nach echten 96tausend Km breit. Bei kaltem Motor war alles ruhig, einwandfreier sauber Motorlauf. Sobald er jedoch seine Betriebstemperatur erreicht hatte, fing es an zu trillern. Dieses Geräusch war sehr besorgniserregend, so das ich keine Ruhe mehr hatte und direkt mit der Fehlersuche begann.
Die Geräuschquelle war nicht eindeutig zu lokalisieren, nur das es vorne vom Motor kommt. Die originale Wasserpumpe hatte ich zuerst in Verdacht und ausgebaut. Diese drehte sehr schwergängig, die Lagerung hatte einen Defekt. So habe ich sie gegen eine neue Pumpe getauscht (die Originale habe ich mit einem Reparatursatz wieder in Stand gesetzt).
Nach dem Einbau der Schock, das leise Geräusch ist auf einmal sehr laut! Nach dem Lösen des Keilriemens wurde das Geräusch immer leiser. Alles klar, der Übeltäter ist die Lichtmaschine. Also Lima zerlegt und siehe da, das hintere Lager war defekt. Es hatte sich schon im Gehäusedeckel mitgedreht.
Nach der Lichtmaschinenüberholung war ich schon optimistisch, dass jetzt alles gut ist. „Flötepfeifen“, immer noch das ursprüngliche leise Trillern, bei warmen Motor. Dann hab ich den Motor ohne Keilriemen laufen lassen, immer noch das Geräusch, Mist. Eine dunkle Vorahnung machte sich breit, aber man klammert sich ja an jeden Strohhalm. Die beiden letzten Teile, Benzinpumpe und Zündverteiler, sind in Ordnung, was nun?
Da habe ich mir ein Stethoskop zur Ortung zugelegt. Damit konnte ich die Geräuschquelle am Motorblock im Bereich des vorderen Kurbelwellenlagers lokalisieren. Clubkamerad Gerd, kam nach dem „Abhorchen“ zum gleichen Schluss. Auweia, etwa ein Lagerschaden an der Kurbelwelle?
Eine Kompressionsprüfung war auch unauffällig. Alle Zylinder hatten eine gute und gleichmäßige Kompression. Es nutzt alles nichts, der Motor muss raus und zerlegt werden. Das war eine neue Herausforderung, den Motor hatte ich noch nicht ausgebaut und schon gar nicht zerlegt. Also learning by doing. Irgendjemand hat den Motor ja zusammengebaut, dann kann ich ihn auch auseinanderbauen.
Nach dem genauen Studieren des MB-Werkstatthandbuchs hab ich dann losgelegt. Von Gerd konnte ich mir direkt einen Motorheber und Motorträger holen und schon ging es mit dem Ausbau los. (Bild 1) Das klappte gut, anschließend habe ich zuerst Ventildeckel und die Ölwanne abgeschraubt, sowie eine erste Kontrolle durchgeführt. Die Nockenwelle hat ein Axialspiel von 0,09 mm, die Lagerstellen und Lagerböcke sind wie neu. Da gab es nichts zu beanstanden. Die Kurbelwelle hat ein Axialspiel von 0,17mm, Radial 0,06mm. Alle Steuerkettenräder haben spitze Zähne und sind verschlissen. OK, dann los! Alles muss raus! Für den Ausbau von Kurbelwelle, Steuerkettenräder und der Zwischenradwelle, Ölpumpen und Zündverteilerantrieb musste ich erst diverse Spezialwerkzeuge anfertigen.
Das Zwischenrad, Welle und hintere Lagerbuchse ausbauen, ist die reinste Schlüsselloch-OP (Bild 2) Dann ging es mit der Maßkontrolle der Lagerungen los. Direkt fiel mir das mittlere Kurbelwellenlager auf, das hat umlaufend in der Lagerschale leichte Fraßspuren. (Bild 3) An der Kurbelwelle waren keine Beschädigungen zu erkennen. Diese habe ich aber zur Überprüfung und genauen Vermessung, ins Motorencenter gebracht. Die kleine Zwischenwelle und Antriebswelle Ölpumpe / Zündverteiler sind tip top, nur die Lagerbuchsen sind schon oval ausgenudelt. Bis zu 0,07mm Lagerspiel, also alle erneuern. Da ist einiges zu tun.
Die Wartezeit auf die Kurbelwelle habe ich genutzt, um die noch fehlenden Sonderwerkzeuge und Meßhilfsmittel für den Motorzusammenbau anzufertigen. Endlich Endwarnung aus dem Motorencenter, die Kurbelwelle ist in sehr guten Zustand und braucht nicht auf Untermaß geschliffen werden. Alle Lagerstellen wurden durch Rundläppen nachgearbeitet. Durch diese Art der Bearbeitung, wird mit minimalem Materialabtrag eine hervorragende Oberflächengüte mit Rautiefen bis unter Rz 0,05 μm erzielt. Als ich die Ventilschaftdichtungen erneuern wollte, lies die nächste Überraschung nicht lange auf sich warten. Für diese Arbeit hat mir Clubkamerad Peter Cramer seine Zündkerze mit Luftanschluss, a la Fritz Wallner geliehen. (Bild 4) Direkt beim ersten Zylinder sind beide Ventile undicht, die Luft zischte ordentlich aus den Kanälen, nur zwei von 8 Ventilen waren relativ dicht.
Nächste Baustelle, der Zylinderkopf muss runter und überprüft werden. Als ich den Zylinderkopf auf der Werkbank hatte, kam so einiges zum Vorschein. Die Ventile hatten eine so starke Verkrustung und Fehlerstellen, da konnte nichts mehr dicht sein. (Bild 5) Zu allem Überfluss entdeckte ich eine ordentliche Riefe im ersten Zylinder. Die war mit der Kamera nicht zu sehen, da sie im Zündkerzenbereich lag. Verursacht wurde sie wahrscheinlich durch ein abgebrochenes Stück vom Kolbenring. (Bild 6) Schon wird aus der geplanten Teilüberholung eine komplette Motorüberholung.
Den Zylinderkopf habe ich im Rahmen der Überholung, direkt auf Bleifrei umrüsten lassen. Die Zylinder sind auf das erste Übermaß geschliffen worden und mit neuen Kolben versehen. Endlich kann es mit dem Zusammenbau losgehen. Die fummeligste Arbeit war die gedacht einfachste, der Einbau der hinteren Kurbelwellendichtung aus Gewebeband. Nach der ersten Montage der Kurbelwelle und Ölwanne mit Dichtung, ließ sich die Kurbelwelle nur sehr schwer drehen. Es war ein mehrfacher Aus und Einbau der Kurbelwelle und Ölwanne nötig, um die Druckstellen auf der Dichtung so nachzuarbeiten, das die Kurbelwelle wieder leichtgängig drehte. Hoffe das die Dichtung gut sitzt und auch dicht ist!!
Bei der Montage der Pleuellager kam die nächste Hürde. Für die Originalgröße mit schräg versetzter Schmierbohrung, bekam ich nur noch ungebohrte Lagerschalen. Nach Anfertigung einer kleinen Spannvorrichtung aus Holz, um Kratzer zu vermeiden, habe ich die Schmierbohrungen auf meiner kleinen Maschine selber eingebracht. (Bild 7) Für die anstehende Zylinderkopfmontage habe ich mir eine Papierdichtung gebastelt, um als erstes die Leichtgängigkeit der Nockenwelle zu prüfen. Bei der Probemontage stellte sich heraus, das die Nockenwelle zu schwergängig dreht. Der erste Lagerbock musste an der Auflagefläche um 0,04mm nachgearbeitet werden.
Nach der erfolgreichen Montage vom Zylinderkopf und Nockenwelle stand nun die Maßkontrolle der Flucht von den neuen Kettenrädern an der Reihe. (Bild 8) Die Abweichung des Kurbelwellen und Nockenwellen-Kettenrads ist mit jeweils 0,3mm zum Zwischenrad zu viel. Es sollen nach Werkstatthandbuch max. 0,1mm sein. Um den Versatz auszugleichen, musste ich 2 neue Distanzringe einbauen. Zum genauen Messen des Nockenwellenrads musste ich erst noch ein Hilfsmittel basteln.
Mittlerweile haben sich eine ganze Menge selbst angefertigter Spezialwerkzeuge angesammelt, die für eine Motordemontage/Montage und Maßkontrollen nötig sind. (Bild 9)
Nach den letzten Arbeiten, Einbau und Einstellen der Schwinghebel, ist der SL Motor wieder zusammen und kann endlich nach viel Blut und kleine Knochen schwitzen, zurück an seinen Platz. (Bild 10) Jetzt wurde es ernst.
Nachdem ich mit dem Anlasser den Öldruck aufgebaut hatte, kam der Probestart. Der erste Motorstart war der Hammer! Als ich den Startknopf drückte, sprang der Motor ohne Verzögerung sofort an. Nun steht nach 240 Stunden Arbeit, den ersten Probeläufen und Feineinstellungen, das Einfahren vom „neuen Motor“ an. Die Saison 2022 kann losgehen.